Die neueste Ausgabe der WZB-Mitteilungen wurde heute veröffentlicht: Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe mit dem Titel „Von Computern und Menschen. Die digitalisierte Gesellschaft“ sind digitale Themen wie Desinformation, Künstliche Intelligenz, Plattformökonomie, Big Data und Digitale Souveränität. Unsere Forschungsgruppe hat es sich natürlich nicht nehmen lassen, in diese Ausgabe, welche unser Kernthema im Titel trägt, mehrere Aufsätze einzubringen: Jeanette, Sebastian und Thorsten sind mit gleich drei Artikeln vertreten. Auch die anderen Wissenschaftler*innen des Weizenbaum-Instituts haben fleißig zu dieser spannenden Ausgabe mit beigetragen. Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre!
Im Folgenden die Aufsätze aus unserer Forschungsgruppe:
Im kalifornischen punctum Verlag ist das „Book of Anonymity“ erschienen, zu dem Thorsten ein Kapitel mit dem Titel „Anonymity: The Politicisation of a Concept“ beigesteuert hat (Abstract s. unten). Der Band geht zurück auf das Forschungsprojekt Re-configuring Anonymity und unterhält neben Thorstens Beitrag unter anderem auch noch Texte von Götz Bachmann, Solon Barocas, Michi Knecht, Gertrud Koch, Julien McHardy, Helen Nissenbaum und Nils Zurawski. Das gesamte Buch ist Open Access, fantastisch gestaltet und enthält eine Menge unterschiedliche Perspektiven aus wissenschaftlicher, aktivistischer und künstlerischer Warte. Gerade weil Anonymität ein zwar populäres, aber doch erstaunlich selten wissenschaftlich beleuchtetes Thema ist, lohnt sich ein Blick sehr. Hier geht es zur Verlagsseite, wo es auch das Buch zu kaufen gibt und hier gibt es einfach nur das PDF.
Abstract
The chapter traces the changes undergone by anonymity – and by the discourses surrounding it – in liberal Western societies. I will ask whether the current politicization of the issue is likely to have any impact on the gradual disappearance of opportunities for anonymity and argue that anonymity is an ambivalent but critical feature of the democratic public sphere. The argument proceeds in three stages. I begin with a number of conceptual observations on anonymity. From these, a heuristic framework emerges with which the changes in anonymous communication, and in the role this communication plays in society, can be described. I then analyse the extent to which options for anonymity have been affected by the revolution in ICTs and conclude by considering how anonymity is framed in public discourse.
In diesem Monat begrüßen wir zwei neue Fellows in unserer Forschungsgruppe: Lisa-Maria Neudert vom Oxford Internet Institute und Martin Seeliger von der Universität Hamburg.
Lisa-Maria Neudert ist Doktorandin am Oxford Internet Institute und beschäftigt sie sich mit der Regulierung von Plattformen, ein besonderer Fokus liegt dabei auf Governance rund um KI, Content-Moderation und Desinformation.
Martin Seeliger promovierte am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg.
Lisa-Maria und Martin werden bis einschließlich Mai in unserer Forschungsgruppe zu Gast sein. Herzlich willkommen!
Diese Woche hatten wir Michael Seemann in unserem Kolloquium zu Gast und haben mit ihm über die Macht der Plattformen gesprochen. Was sind überhaupt Plattformen? Was kennzeichnet ihre Macht? Und erleben wir gerade einen digitalen Postkapitalismus? Diese und viele weitere Fragen konnten wir gemeinsam diskutieren. Spannende Antworten dazu gibt es auch in Seemanns neuem Buch Die Macht der Plattformen. Politik in Zeiten der Internetgiganten, das im Mai erscheint.
This week’s issue of Weizenbaum Colloquium was held by our fellow Irina Kalinka, who presented us her dissertation topic „The Political Imaginary of User democracy“.
Contemporary debates about the political impact of digital platforms in the West often revolve around a central, limiting dichotomy: Does digital media revitalize or hurt democracy? Irina’s dissertation project instead shifts the focus to the normative conceptualizations of democracy that are embedded within the platforms themselves. How do they define citizenship, „healthy“ public discourses and the associated practices and pedagogies? Irina understands these underlying assumptions and efforts as the political imaginary of „User Democracy“. She criticizes this notion of democracy, in which subjects are encouraged to imagine themselves as ‚citizen-users‘ of the digital public space provided by platforms. In contrast, she argues for an emancipatory understanding of democracy rooted in the political ethos of (digital) agonism, which emphasizes that popular sovereignty is not an object to be facilitated from above, but a continuous, collective process of struggle around what it means to be in common with others.
Thank you very much, Irina, for your insightful presentation and the subsequent fruitful discussion!
Für das Dossier „Politische Bildung in einer digitalen Welt“ der Bundeszentrale für Politische Bildung hat Thorsten einen Beitrag mit dem Titel „Demokratie in Zeiten der Digitalisierung“ verfasst. Der Beitrag diskutiert, welchen Einfluss digitale Technologien auf die repräsentative Demokratie haben und welche Bedeutung dem digitalen Strukturwandel von Öffentlichkeit zukommt. Der Beitrag und das ganze Dossier ist selbstverständlich open access und hier zu finden.
Mit beinahe 200 Teilnehmer*innen war die diesjährige, Corona-bedingt vollständig online abgehaltene POLKOMM21 am vergangenen Freitag zum Thema „Meinungsbildung und Meinungsmacht in dissonanten Öffentlichkeiten“ ein voller Erfolg. Der Tag begann mit einer Keynote von Axel Bruns aus Australien. Vor dem Hintergrund einer grünen, australischen Sommerlandschaft hielt er einen spannenden Vortrag zum Umgang mit Desinformationen am Beispiel der COVID/5G-Verschwörungstheorien. Es folgten vier Panels mit Schwerpunkten zu Akteur*innen, Polarisierung und rechten Medien, Personalisierung und Vergleichen, in denen die beteiligten Wissenschaftler*innen interessante und detaillierte Einblicke in ihre aktuelle Forschung gaben und mit den Zuhörenden diskutierten. Die Konferenz wurde in diesem Jahr mit dem Weizenbaum-Institut als Gastgeber ausgerichtet, verantwortlich waren neben Thorsten, unser Direktor, Christoph Neuberger, und Ulrike Klinger. Ein besonderes Highlight: Für den informellen Teil haben wir mit gather.town eine Software gefunden, die in Videospiel-Optik ein virtuelles Zusammensitzen in einem Biergarten ermöglichte. Dort fand auch am Abend die virtuelle Cocktail Hour statt, welche wir mit viel Netzwerken, aber auch kleinen Malspielen verbrachten.
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, Vortragenden, Moderator*innen und dem Orga-Team und freuen uns auf eine hoffentlich wieder analog stattfindende Konferenz im nächsten Jahr!
In unserem Lektürecolloquium hatten wir heute Jeanette Hofmann und Bernhard Rieder zu Gast, um mit ihnen ihr aktuelles Paper Towards Platform Observability zu diskutieren. In diesem plädieren sie dafür observability anstelle von transparency zum zentralen Konzept in der Diskussion um eine effektive demokratische Regulierung von Plattformen zu machen und damit den Fokus statt auf das reine Offenlegen der „black box“ auf die anspruchsvollen Voraussetzungen zu richten, derer es bedarf, um algorithmische Systeme beobachten, analysieren und so auch regulieren zu können. Zwei Stunden angeregte Diskussion – und wir hätten sicher noch weitermachen können. Danke an unsere Gäste und große Leseempfehlung für alle Interessierten!
Für den vom 14.-16. September 2021 stattfindenden DVPW-Kongress „Wir haben die Wahl! Politik in Zeiten von Unsicherheit und Autokratisierung“ ist jüngst der offene Call for Papers veröffentlicht worden. Noch bis zum 28. Februar habt ihr die Möglichkeit, euch mit Papieren auf insgesamt 98 offene Panelveranstaltungen zu bewerben. Auch von unserer Seite wird es ein Panel geben, konkret verantwortet Thorsten, gemeinsam mit Andreas Jungherr (Jena), einen Panelvorschlag mit dem Titel „Warum (noch) wählen? Demokratie und die Digitalisierung des Demos“ (P197). Die Beschreibung für dieses und viele weitere Panel findet ihr hier auf der DVPW-Kongressseite, hier als auch nicht sehr übersichtliche PDF oder einfach (aber nur uns) direkt unten. Es gibt viele tolle Themen und wir freuen uns sehr über Einreichungen! Alle Infos – und die Eingabemaske – hier auf der Seite.
Warum (noch) wählen? Demokratie und die Digitalisierung des Demos (P197)
Die datenintensive Vernetzung von Wählerschaft und Repräsentant:innen ist ein Großtrend der letzten Dekade. Was zu Beginn des Jahrtausends noch als digitaler Wiedergewinn der bürgernahen und subsidiären „Jeffersonian Democracy“ begrüßt wurde, wird gegenwärtig aber sehr viel skeptischer diskutiert. Herausgegestellt werden die Risiken von Manipulation und Bevormundung sowie der Einfluss von Werbeindustrie und Plattformunternehmen. Eine umfassende Verunsicherung über das Auseinanderfallen des medialen Erfahrungsraums und des demokratischen Erwartungshorizonts politischer Willensbildung ist spürbar. Das Vertrauen in demokratische Entscheidungsfindung sinkt, während das allgemeine Gefühl von Unsicherheit in westlichen Demokratien steigt. Während die Vermessung des politischen Subjekts als solches – bspw. durch die Demoskopie – eine lange Tradition hat und politikwissenschaftlich als gut reflektiert gelten darf, steht die Untersuchung der digitalen Vermessung des Demos noch ganz am Anfang. Demokratische Anforderungen an reflektierte Willensbildung der Bürger*innen treffen hier auf mediale Umgebungen, in denen die Datennutzung nicht alleine mit dem Versprechen auf Einsicht, sondern auf Steuerung verbunden ist. Topoi der Verfügbarkeit, kybernetische Steuerungsutopien und behaviouristische Konzepte auf Basis psychometrischer Profilbildung setzen, verbunden mit den Anreizen der Plattformökonomie, das Leitbild der urteilsfähigen Bürger*in als Referenzpunkt demokratischer Legitimität unter Druck. Die Gefahr einer Autokratisierung mittels Kontrolle und gezielter Manipulation nimmt zu.
Das Panel wird demokratietheoretische Perspektiven und Diskurse in der empirischen Politikforschung zu Wahlen und Digitalisierung zusammenbringen, um so neue Perspektiven auf Wahlen, Wählerbeobachung und politische Willensbildung zu generieren. Im Fokus steht die Frage,welche Formen der Datafizierung im Kontext von Wahlen zu beobachten sind und welche Folgen sich daraus für die Demokratie ergeben.
Die Forderung nach „Digitaler Souveränität“ hat derzeit Konjunktur – aber was impliziert der Begriff eigentlich und welches Konfliktpotential birgt er? Dieser Frage geht Thorsten in einem heute (25.01) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten ganzseitigen Artikel nach. In ihm reflektiert er den begrifflichen Aufstieg digitaler Souveränität und die Ereignisse, die unser gegenwärtiges Verständnis prägen und den Begriff so zentral für den politischen Diskurs machen. Zugleich problematisiert er aber Souveränität und schlussfolgert, dass es längst bessere, demokratischere Antworten auf die Herausforderunen der digitalen Konstellation gebe als das stets nach Kontrolle strebende und wenig zum europäischen Projekt passende Konzept der Souveränität. Nachzulesen ist der Text hier in der heutigen Ausgabe der FAZ (Multimedia-Edition) — Update: Und mittlerweile auch hier auf der Webseite der FAZ.